von Markus Schmitt
(aus der Festschrift zum 175-jährigen Jubiläum 2008)
Im Jahr 1877 wurde unsere Schule in Folge einer Verordnung König Ludwigs II. in eine sechs Klassen umfassende „Königlich bayerische Realschule" umgewandelt. Die Transformation staatlicher Gewerbeschulen zu Realschulen war ein allgemeines Phänomen, welches in Bayern und im ganzen Reich spätestens ab dem Jahre 1878 umgesetzt wurde. Damit erreichte die an unserer Schule 1864 begonnene Entwicklung zu einer vorrangig auf Allgemeinbildung orientierten Lehranstalt nach mehreren Zwischenschritten ihren vorläufigen Höhepunkt.
Das Schuljahr 1877/78 als Beispiel für einen Jahresablauf: Der Übergangscharakter war diesem Schuljahr deutlich anzumerken. Es war noch keine 2. Klasse vorhanden, da sie erst mit dem Beginn des nächsten Schuljahres eingeführt wurde. Nach der oben erwähnten Verordnung durften Schüler im Alter zwischen 11 ¾ und 14 Jahren bei ausreichenden Kenntnissen sofort in die 3. Klasse eintreten. Zudem sollte derjenige, der in die erste Klasse eintreten wollte, im betreffenden Kalenderjahr das Alter von 10 Jahren erreicht haben oder erreichen und nicht älter als 13 Jahre sein.
Das Anfangskollegium der „Königlich bayerischen Realschule“ bestand aus Rektor Ludwig Sutter, sieben Reallehrern, zwei Volksschullehrern, drei katholischen und zwei evangelischen Geistlichen sowie dem Bezirksrabbiner. Diese hatten 162 Schüler in fünf Klassen zu unterrichten, von denen 134 am Jahresende übrig waren. Über die Hälfte, nämlich 80 (59,7 %) waren Protestanten, die Juden waren mit 28 (20,9 %) vertreten und damit zahlenmäßig stärker als die Katholiken mit 26 (19,4 %). Von den 134 Schülern waren 44 % in Landau und 56 % außerhalb von Landau geboren. Letztere setzten sich, gemessen am Gesamtanteil wie folgt zusammen:
- 3,8 % aus den Stadtdörfern (Dammheim, Queichheim, Nussdorf)
- 14,2 % aus dem Gebiet um Annweiler bis Burrweiler
- 14,2 % aus der Gegend rund um Edenkoben und Hochstadt
- 10,4 % aus Billigheim-lngenheim und benachbarten Ortschaften
- 5,2 % aus Herxheim und Umgebung
- 5,2 % außerhalb der Pfalz im Deutschen Reich
- 3 % außerhalb des Reiches
Die Väter der Schüler hatten in folgenden Bereichen ihre Berufe:
- 29,2 % Handwerk
- 7,5 % Landwirtschaft/Weinbau
- 12,7 % Öffentlicher Dienst
- 31,3 % Kaufmann/Handelsgewerbe
- 0,7 % Akademiker
- 11,2 % Gastwirte/Selbstständige
- 3,7 % Tagelöhner/Arbeiter/Angestellte
- 3,7 % Sonstiges
Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass das Maturitätszeugnis der sechs Klassen umfassenden Realschule zur Ableistung des „Einjährig-Freiwilligen“ Militärdienstes berechtigte. Die katholischen Schüler wurden auf ihren Wissensstand vom bischöflichen geistlichen Rat Hällmeyer und die protestantischen vom Kgl. Konsistorialrat Moschel geprüft.
Im darauf folgenden Schuljahr 1878/79 erhöhte sich am Jahresanfang die Zahl der Schüler auf 215, von denen am Ende 176 verblieben, die Zahl der Klassen stieg auf 7. Aber bereits im nächsten Schuljahr sank die Anzahl der Schüler wieder auf den Stand von 1877 und blieb dort auch bis in die frühen 80er Jahre des 19. Jahrhunderts. Dann jedoch schnellte sie auf 402 im Jahre 1893/94, aufgeteilt in 10 Klassen. Dies ist die höchste im Kaiserreich erreichte Schülerzahl. Bis zur Jahrhundertwende fiel sie auf 307 ab, und 1912/13 waren es noch 295 Schüler, aufgeteilt in 9 Klassen.
Konfession der Schüler | Ø 1877/78 bis 1882/83 | 1912/13 |
protestantisch | 58,1 % | 58,8 % |
katholisch | 17,4 % | 31,5 % |
jüdisch | 24,5 % | 9,7 % |
Schon im Schuljahr 1886/87 überstieg der Anteil der Katholiken den Anteil der Juden.
Der Anteil der Väter, die ein Handwerk ausübten oder als Kaufmann bzw. im Handelsgewerbe tätig waren, sank deutlich auf 22,5 % bzw. 21,8 % im Jahr 1912/13. Dagegen stieg die Quote derjenigen, die im Öffentlichen Dienst beschäftigt waren, um die Hälfte auf 24,6 %, und die als Tagelöhner, Arbeiter oder in einer Anstellung tätig waren um nahezu das Dreifache auf 9,4 %.
Im Lehrerkollegium waren keine großen Veränderungen zu verzeichnen; Rektor Sutter, kgl. Lehrer für Chemie und Naturgeschichte, stand weiterhin der Schule vor. 1893 gab es außer ihm acht königliche Reallehrer, fünf Assistenten und elf nebenamtliche Lehrkräfte, darunter die Geistlichen. Seit 1889 hatte unsere Schule auch einen eigenen Pedell und Hausmeister, Adam Mischler. Im Jahre 1898 wurden die ersten Professorenstellen für unsere Schule genehmigt. In der Zeit um die Jahrhundertwende ist ein Generationenübergang zu verzeichnen, denn Rektor Sutter trat nach 36 Jahren als Schulleiter im Jahre 1900 in den Ruhestand, und einer der ersten Professoren, Heinrich Risser, kgl. Lehrer der Realien (Geschichte, Erdkunde), übernahm seinen Posten. Rektor Risser wurde im Jahr 1908 pensioniert, ihm folgte Dr. Ernst Bertololy von der Realschule Memmingen. Im Jahr seiner Amtsübernahme war die Größe des Lehrerkollegiums nahezu unverändert. Erst im Jahre 1911 bekam die Realschule einen eigenen Turnlehrer.
Die protestantischen Schüler wurden des Öfteren von einem Kgl. Konsistorialrat, die katholischen von einem Kgl. Geistlichen Rat geprüft. Im Schuljahr 1878/79 prüfte der „hochwürdigste Bischof Ehrler von Speyer“ persönlich in Anwesenheit des Rektors anlässlich einer Visitationsreise die katholischen Schüler. Ab der Jahrhundertwende wurden auch in anderen Fächern Visitationen durchgeführt, so 1910/11 in Stenographie und Zeichnen, 1911/12 in den Fremdsprachen und 1912/13 in Chemie und beschreibenden Naturwissenschaften.
Außerdem bekam die Schule hohen Besuch von Seiten der Regierung: 1892 durch Kultusminister von Müller, der in Begleitung des Regierungspräsidenten von Auer und des Oberbaurates Bernatz das Schulgebäude eingehend begutachtete. In demselben Jahre besichtigte auch der Referent der Realschulen, der Kgl. Regierungsrat Morhart unsere Schule. Dass in der Kaiserzeit auch Wert auf Gesundheit gelegt wurde, zeigt der Besuch des Kgl. Bezirks- und Landgerichtsarztes, Medizinalrat Dr. Hermann von Hoeßlin im Jahre 1911, der das Schulgebäude und seine Einrichtungen begutachtete.
Im Jahre 1882/83 wurden die Bestimmungen zum Eintritt verschärft; zur Aufnahme in die erste Klasse waren diejenigen Kenntnisse erforderlich, die man durch den Besuch der unteren 4 Klassen der Volksschule erhielt. Weiterhin wurde Anfang der 90er Jahre darauf hingewiesen, dass die Schüler schnellst möglich und schon ab 9 ¾ Jahre eintreten sollten, um die Schule im Alter von 16 Jahren mit einem Abschluss verlassen zu können. Im Jahre 1912/13 wies man darauf hin, dass außerordentlich begabte Schüler früher aufgenommen werden konnten und Schüler über 12 Jahren einen besonderen Grund für ihr spätes Eintreten aufweisen mussten.
An unserer Schule wurden zu verschiedenerlei Anlässen Feste gefeiert:
Datum | Anlass |
27.07.1879 | 700-jährige Herrschaft des Hauses Wittelsbach über Bayern |
12.03.1901 | 80. Geburtstag des Prinzregenten Luitpold |
09.05.1905 | 100. Todestag Schillers |
23.10.1910 | Einweihung des Bismarckturms, Rede: Rektor Dr. Ernst Bertololy |
18.01.1911 | 40-jähriges Jubiläum der Gründung des Deutschen Reiches |
11.03.1911 | 90. Geburtstag des Prinzregenten Luitpold |
ab 29.06.1911 jährlich | Schulturn- und Spielfest zu Ehren des Prinzregenten unter maßgeblicher Mitwirkung städtischer Honorationen und des Militärs |
19.12.1912 | Ansprache des Rektors über das Wirken des Prinzregenten am Tag von dessen Beisetzung, am nächsten Tag Totenfeier |
08.05.1913 | Besuch Landaus durch den neuen Prinzregenten Ludwig mit Familie |
14.06.1913 | Vaterländische Gedenkfeier zur Erinnerung an die Befreiungskriege und zum 25-jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Wilhelms II. |
Die Feste zeigten anfangs einen eher bayerischen Charakter, aber immer stärker eine gesamtstaatliche, nationaldeutsche Färbung.
Nach der Jahrhundertwende häuften sich die Veranstaltungen im Bereich der „Körperlichen Erziehung“ und die Zahl der Wanderungen. So wurden 1910/11 Spielturnen, Freiübungen, Keulenschwingen oder Laufen auf der Rundbahn unter Leitung von Lehrern auf dem Spielplatze des Vereins zur Pflege der Jugend- und Volksspiele durchgeführt, der sich seit 1900 auf dem heutigen Fußballfeld im Stadion befand. Ebenso wurde Gelegenheit zum Schlittschuhlaufen gegeben. Im Sommer wurde der Besuch der Städtischen Schwimmanstalt angeboten, Ärmere wurden von den Kosten befreit. Jede Klasse unternahm eine größere Wanderung, und in allen Klassen leiteten Fachlehrer Spaziergänge zu Unterrichtszwecken. Im nächsten Schuljahr beteiligten sich zusätzlich zu diesem Programm die oberen drei Klassen „mit großem Eifer“ an den sonntagnachmittags stattfindenden Übungen des Wehrkraftvereins, die von Hauptmann Wilhelm Loechner und unter der Leitung mehrerer anderer Offiziere der damals in Landau liegenden Regimenter durchgeführt wurden. 1913 wurde am 12. Mai, einem Pfingstmontag, von den pfälzischen Ortsgruppen des Bayerischen Wehrkraftvereins eine „Jahrhundertfeier“ auf dem Schlachtfelde von Woerth (Elsass) veranstaltet, woran auch die oberen drei Klassen der Realschule teilnahmen. Nach dem Festgottesdienst versammelten sich rund 500 Jugendliche am Kaiser-Friedrich-Denkmal. Hauptmann Loechner hielt einen Vortrag über den Verlauf der Schlacht und ließ am Ende die Landesfürsten hochleben. Die eigentliche Rede hielt aber Rektor Dr. Bertololy, der dann das gesamte deutsche Vaterland hochleben ließ.
Unsere Schule wirkte auch maßgeblich im Gewerbeverein mit, seitens der Lehrer in Form von Vorträgen, während die Schüler der höheren Klassen bzw. der bis 1903/04 bestehenden Gewerblichen Fortbildungsschule einen Teil des Publikums bildeten. Als der für sein Wissen in Landwirtschaft und Weinbau, besonders in der Schädlingsbekämpfung regional bekannte Rektor Sutter pensioniert wurde, endete auch die Mitgestaltung durch die Kollegen. Rektor Dr. Bertololy empfahl jedoch weiterhin den Besuch der Veranstaltungen durch die Schüler, einmal mit der Begründung, dass der bevorstehende Vortrag insbesondere „die Heimatkunde zu fördern geeignet“ sei.